Bildende Künstler:innen sind in mancher Hinsicht auch Eremiten. Oft arbeiten sie lange allein an einem Ort, der nicht immer abgeschieden sein muss, der aber doch einsames Arbeiten einschließt. Marc Floßmann, Mitglied im Künstlerbund Dresden, schätzt, obwohl er längst in Bielefeld lebt, so einiges an der Situation für Grafiker in Dresden. Und teilt hier außerdem seine jüngsten Erfahrungen, die er auf der Plattform Catawiki gemacht hat.
KBD: Marc, wir haben uns kürzlich, als du deine Grafik von der Ausstellung Zeitgleich-Zeitzeichen abgeholt hast, auch über die allgemeine Situation der Druckgrafik in Dresden unterhalten.
MF: Ja, in Dresden wird die Druckgrafik wirklich noch hochgehalten und es gibt noch einige Orte, an denen man Druckgrafik machen kann. In Bielefeld, wo ich jetzt lebe, gibt es überhaupt keine öffentlichen Stellen, keine Akademie, keine offene Werkstatt. Es ist schön, dass das in Dresden noch so lebendig ist!
KBD: Wir haben vor diesem Hintergrund auch einmal alle auf einen Blick gelistet (weiterführender Link am Beitragsende). Das heißt, du nutzt diese Werkstätten dann auch heute noch, wenn du in Dresden bist?
MF: Während der Pandemie habe ich mir eine eigene Druckerpresse angeschafft. Aber mittlerweile bin ich wieder öfter in Dresden und habe mich letzte Woche erst in der Grafikwerkstatt der Technischen Sammlungen in der Junghansstraße eingemietet. Das geht nach Anmeldung auch gut und ist eine beeindruckend große und vielseitige Werkstatt.
KBD: Du hattest davon erzählt, dass Druckgrafik für dich gar nicht so sehr während des Studiums, sondern erst hinterher interessant wurde.
MF: Damals während des Grundstudiums an der HfBK war das nicht meine Sache. Das wirkte für mich wie weit aus der Vergangenheit. Ich hatte so jungspornige Ideen, dass es ganz woanders hingehen müsste und habe das zwar gelernt, aber gar nicht für mich genutzt. Das kam erst viel später, so mit Mitte 40, und eigentlich wegen Corona, weil da so ein Innehalten war.
KBD: Corona war der äußere Anlass, wie ist es dann weitergegangen?
MF: Ich habe viel mehr Zeit am Computer verbracht und begonnen, selbst nach älterer Druckgrafik im Internet zu schauen. Angefangen hat das mit Interesse an und Ankäufen von Drucken von Jacques Callot und Giovanni Battista Piranesi – hier bin ich lange drangeblieben und habe dann Grafiken zu erstaunlich niedrigen Preisen bekommen.
KBD: Kannst du ein Beispiel machen?
MF: Ich habe für 220 € von Piranesi das Pantheon in Rom über einen Trödelhändler aus Düsseldorf gekauft.
KBD: Unglaublich, wenn man bedenkt, dass es sich hier um Druckgrafik aus dem 18. Jh. handelt. Auf welcher Plattform hast du den ersteigert?
MF: Anfangs habe ich über ebay-Kleinanzeigen und ebay gesucht und bin dann aber durch Empfehlung eines Künstlerkollegen schnell auf Catawiki gestoßen.
KBD: Ist das eine seriöse Plattform? Auf meinem privaten E-Mail-Account erhalte ich seit Kurzem täglich Anzeigen. Auf den ersten Blick gibt es vom Asteroidenkern über den Narwahlzahn bis zur Zierdecke reichlich Material für eine Wunderkammer. Welche Erfahrung hast du bei deiner Suche dort gemacht?
MF: Es stimmt natürlich: Auf Catawiki gibt es von Kunst über Oldtimer, Luxusuhren und Einrichtungsgegenstände so ziemlich alles. Mich hat speziell die Kategorie “Druckgrafik, Antike Druckgrafik, Alte Meister” interessiert. Das ist eine Online-Auktion, die fast jede Woche stattfindet und die man in diesem ganz großen Komplex von Catawiki erst finden muss. Hier sind Anbieter aus Belgien, Frankreich, Italien und den Niederlanden, es ist internationaler.
Neben guten Erfahrungen habe ich aber natürlich auch schlechte gemacht. Eine Rembrandt-Radierung, die ich für 70 € bekommen habe, erwies sich nach der Prüfung durch ein Auktionshaus als gut gemachte Fälschung. Sie war ein paar Millimeter zu groß, daran erkannten die Fachleute das. Die Risiken bei Online-Auktionen sind wie sonst auch Verkäufer, die nicht ehrlich sind. Das vermeintliche Rembrandt-Blatt habe ich trotzdem behalten.
KBD: Du hast dir inzwischen eine ganze Sammlung von grafischen Eremiten-Darstellungen aufgebaut (s. Titelbild) und schlägst mit diesem Thema auch eine Brücke zu deinen Minimalhäusern – tiny houses.
MF: Über die Grafiken tat sich tatsächlich ein inhaltlicher Zusammenhang mit meinen Minimalhäusern auf. Was wir heute tiny house nennen war früher und für Eremiten selbstverständlich, nämlich einfach und selbst zu bauen, und dazu noch einen kleinen Garten zur Selbstversorgung anzulegen. Ruinen, Eremiten sowie deren Behausungen, das ist der Schwerpunkt meiner Sammlung geworden.
KBD: Zurück zur Druckkunst: Bietet sich Catawiki auch für den Verkauf deiner eigenen Grafiken an?
MF: Versucht habe ich es, aber ohne nennenswerten Erfolg. Das Problem besteht darin, dass auf einer solchen Plattform natürlich niemand nach Arbeiten eines nicht weithin bekannten Künstlers sucht. Catawiki ist also leider keine Geldmaschine für junge Künstler. Ich kann aber als Zwischenhändler mit Grafiken, die ich aus Gebrauchtwarengeschäften oder Nachlässen ankaufe, und die ich nicht in meiner Sammlung behalten möchte, ein Nebeneinkommen erzielen. Mit jedem Blatt wäge ich ab, Sammlung oder Wiederverkauf. Es ist auf jeden Fall eine neue Kategorie von Kunstmarkt, die hier entsteht und die viel transparenter ist.
KBD: Transparenter inwiefern?
MF: Die Preise für alte Druckgrafik werden transparenter, preiswerter, und langfristig auch die unterschiedliche Wertschätzung oder Kenntnis von Druckgrafik in verschiedenen Ländern.
KBD: Danke für’s Teilen deiner Erfahrung!
Für alle am Drucken Interessierten kommt hier die
Übersicht aller wichtigen Druck-Adressen in Dresden.
© Radierung von Marten de Vos, Copres, gedruckt bei Rafael Sadeler in Prag um 1600, 17,5 x 20,5 cm