Dresden ist mein Standort

Svea Duwe hat gerade den Förderpreis der Landeshauptstadt Dresden bekommen. Mit uns spricht sie über ihre künstlerische Herkunft, über Liebgewonnenes und auch über ihre Motivation, sich im Künstlerbund zu engagieren.

KBD: Svea, die Stadt Dresden hat gerade neben dem Kunst- auch zwei Förderpreise vergeben. Einen davon hast du bekommen – Gratulation!

Svea Duwe: Das ist wirklich eine Würdigung, die mich sehr gerührt und geehrt hat. Das Schöne am Förderpreis ist für mich, dass sich darin der Wunsch der Stadt ausdrückt, dass ich meine Arbeit hier fortführe. Und mich darin unterstützen zu wollen, ist ein tolles Signal, das zum richtigen Zeitpunkt kommt.

KBD: Die Jury der Stadt hat insbesondere dein spartenübergreifendes Arbeiten beeindruckt. Bevor du vor 21 Jahren nach Dresden gekommen bist, hast du in Bonn zunächst Klassische Bildhauerei studiert.

SD: Ja, ich habe tatsächlich gelernt, Stein zu meißeln, Holz zu bearbeiten, alles was dazu gehört. Ich habe aber schon vor dem Studium ein Jahr am Theater gearbeitet und mich auch mit der Frage getragen, ob ich Bühnenbild studieren möchte. An der Dresdner Hochschule hat mich angesprochen, dass es hier auch den professionellen Theaterbereich mit Bühnenbild und den Werkstätten gibt, und dass das verknüpft ist mit dem künstlerischen Studium. Als ich das las, klopfte mein Herz! Da war klar, ich muss nach Dresden. Während des Studiums habe ich dann tatsächlich viele theoretische Seminare bei den Theaterwissenschaftlern gemacht.

KBD: Und du bist auch danach in Dresden geblieben. Wo viele nach dem Studium sagen, ich gehe nach Berlin. Was ließ dich bleiben?

SD: Für mich war es ehrlich gesagt nie ein Impuls, wegzugehen. Schon während des Studiums habe ich so viele Freunde hier gefunden, die hauptsächlich auch aus Dresden gebürtig sind. Ich habe eine tolle Szene kennengelernt, viele Menschen, die aus einer inneren kulturellen Motivation heraus Wohnzimmerkonzerte organisiert haben, eigene Ausstellungen. Ich habe diese Szene so liebgewonnen, dass ich überhaupt gar nicht das Bedürfnis hatte, mich nochmal umzupflanzen. Außerdem habe ich mir viel aufgebaut, habe Ateliers gefunden und bin mehrmals umgezogen. Aber all diese Orte, sei es der 7. Stock, die Lößnitzstraße und jetzt das Zentralwerk, sind wichtige soziale Geflechte. Und das ist mir sehr viel wert. Das ist eine Qualität, die man auch nicht so einfach in anderen Städten findet. Deshalb hier ist mein Standort, von hier aus möchte ich ausschwärmen.

KBD: Wo zieht es dich aktuell hin?

SD: Im Moment schwerpunktmäßig nach Chemnitz. Dort bin ich noch in diesem Jahr eingeladen bei einem Festival mitzumachen, dass sich auch an der Schnittstelle der Darstellenden Künste zur Bildenden Kunst bewegt. Ich kann dafür eine Installation realisieren, die schon ganz lange ansteht und die einerseits Rauminstallation ist, aber auch eine performative Aktivierung erfährt. Das wird dort an zwei Tagen uraufgeführt. Außerdem möchte ich gern im Ruhrgebiet arbeiten, das ja ein spannendes Transformationsgebiet ist. Das ist auch, was mich an Dresden interessiert hat als ich hier 2001 ankam.

KBD: Zehn Jahre nach der Wende war noch ungeheuer viel im Umbruch. Haben sich Strukturen hier inzwischen verfestigt?

SW: Ja, es ist fast nicht mehr möglich, herausragende Orte wie wir sie damals bspw. mit dem 7. Stock gefunden haben, für kulturelle Zwecke zu nutzen. Und das für einen Appel und ein Ei. Die freie Szene hat sich da in gewisser Weise institutionalisiert mit dem Zentralwerk und der Geh 8, aber nicht jeder ist in der Lage die Miete dafür aufzubringen. Es ist viel schwieriger geworden, selbst organisierte Ausstellungen zu schaffen. Das ist spürbar und hier muss die Stadt aufpassen, dass sie sich ihre Subkultur bewahrt. Denn Menschen, die aus sich heraus etwas schaffen, das ist eine Qualität, die eine Stadt einzigartig macht.

Ansonsten ist Dresden für mich immer noch ein ganz großartiger Standort als Künstlerin. Gerade im Zentralwerk, wo ich mein Atelier habe, leben wir das Interdisziplinäre. Hier kommen Künstler:innen, Architekten, Sound-Künstler, Lichttechniker und Theaterschaffende zusammen. Ich habe eine Tür, die ich zumachen kann, und gleichzeitig finde ich drei Türen weiter einen Beleuchter, wenn ich ein Video machen möchte. Das liebe ich an diesem Standort. Das ist großartig und nicht so einfach in anderen Städten zu etablieren. Auch dadurch fühle ich mich hier verwurzelt.

KBD: Neben unterschiedlichen Techniken experimentierst du mit unterschiedlichsten Materialien. Was bedeutet das Experiment für dich?

Das Experiment entsteht immer aus einer bestimmten Fragestellung heraus. Bei meiner Arbeit ist es so, dass Themen, die mich sehr stark bewegen, oft gesellschaftlich virulente Themen sind. Dafür suche ich eine künstlerische Form. Das kann dann in einer Skulptur münden, in einem Video, einer Installation oder einer Inszenierung. Beim Material spielt eine Rolle, was es von sich aus erzählen kann. Aktuell arbeite ich unter anderem mit Haar, das ich mit einem anderen Naturmaterial, mit Hautleim verbinde. Raus gekommen ist ein festes Material, das etwas Knochenartiges und auch Gruseliges hat.

KBD: Du machst keine Konzeptkunst, das ist hier auch wieder spürbar. Deine Arbeit ist sehr sinnlich. Dabei weckst du beim Betrachter Gefühle, die auch unangenehm sein können.

SD: Wie fühlt sich der Betrachter dabei? Wie ist er eingebunden? Das sind für mich tatsächlich ganz wichtige Fragen. Es geht nicht um ein reines Gedankenkonstrukt. Im Grunde geht es um Paradoxien, um Widersprüche, in denen wir uns zunehmend mehr befinden. Jetzt, wo die Politik sich selbst die Wahrheit in Abrede stellt, spitzt sich das zu. Die Bedeutung von Wörtern wird in Frage gestellt, alle Sicherheiten werden in Frage gestellt und aufgelöst.

Wenn ich mich mit Widersprüchen beschäftige und dafür Formen finde, heißt das Arbeiten zu schaffen, die die Thematik nicht auf einen Punkt reduzieren, sondern ein Spannungsfeld herstellen. Für den gewillten Betrachter eröffnet das, in mehrere Richtungen zu denken und zu diskutieren. Das Potenzial der Kunst, Unruhe hervorzurufen, das liebe ich sehr.

KBD: Seit letztem Jahr bist du Mitglied im Künstlerbund Dresden. Warum hast du dich dafür entschieden?

SD: Für mich gab es lange keinen Beweggrund einzutreten. Aber durch mein Engagement im Kulturbeirat und in manchen Fachgremien der Stadt habe ich gemerkt, wie notwendig es ist, dass wir Bildenden Künstler uns eine gemeinsame Stimme schaffen. Wir werden vor allem als eine Gemeinschaft von Individualisten, von Einzelkämpfern gesehen, wogegen an sich nichts einzuwenden ist. Aber im kulturpolitischen Kontext ist das eine Schwäche – wir werden gegenüber anderen Kulturbereichen zu wenig wahrgenommen und müssen eine gemeinsame Sprache, ein gemeinsames Standing finden. Und statt jetzt selbst eine neue Initiative zu gründen, dachte ich, nein, es gibt ja schon diese große Interessenvertretung. Und so bin ich eingetreten!

Interview: Christine Gruler

Foto: Zoltán Tanczik

 

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