Dorfhain liegt am linken Talhang der Wilden Weißeritz, etwa 20 Km von Dresden entfernt. In einem der kleinsten Dörfer der Region gelingt es Olaf Stoy, den Menschen Kunst nahe zu bringen. Wir haben ihn gefragt, was es dazu braucht.
KBD: Olaf, schon verrückt, nach Bannewitz und Freital hat es dich jetzt noch tiefer in die Provinz gezogen …
Olaf Stoy: … ins kleinste Dorf der Region! Ja, das ist schon verrückt, aber für mich auch zurück zu den Wurzeln. Ich bin in der Gegend aufgewachsen. Außerdem hat die Georado-Stiftung hier in einer ehemaligen Elektro-Fabrik neben anderem auch eine Kunstinitiative integriert. Der gehöre ich jetzt seit 2019 an und organisiere mit befreundeten Künstlerinnen und Künstlern Ausstellungen, Workshops, Lesungen und Konzerte. Ich habe hier mein Atelier und jede Menge Platz, um ungestört Projekte umzusetzen und mich auszutoben. Wenn du aus dem Fenster guckst, siehst du Stahl-Skulpturen, die mal im Berliner Tacheles standen und auf der anderen Seite, wo ich meinen Ausstellungsraum habe, schaust du in den Tharandter Wald. Hier haben sich schon die Romantiker wund gestoßen, hier gibt es Wald, Natur und jetzt mit uns auch Kunst.
Das ist übrigens eine Mischung, die wir auch gut nutzen können: Gerade im Sommer, wenn die Wandersleute unterwegs sind, laden wir zum Kultursonntag. Da kommt dann der Bertel aus Höckendorf und zeichnet, in der Galerie ArtToGo, die ich eingerichtet habe, ist Kunst von den Professionellen zu sehen und unten im Bistro gibt es auch was zu essen.
KBD: Das heißt neben denen, die beruflich von der Kunst leben, lädst du auch interessierte Laien ein?
OS: Ja, das A und O ist wirklich sensibel auf die Gegebenheiten vor Ort zu reagieren. Natürlich wäre es schon schön, etablierte Kunst zu zeigen. Aber mein Hauptbestreben ist, junge Künstler zu fördern, die noch am Start sind, und wo ich sehe, da ist ein super Potential da. Qualität statt bunter Knallbonbons. Mir geht es um handwerklich fundierte Kunst, die nachhaltig ist. Die nachwirkt.
KBD: Hat das mit damit zu tun, dass du es im ländlichen Raum mit einem anderen Publikum zu tun hast?
OS: Ich habe eine gewisse Einstellung zur Kunst. Mir persönlich hat die Kunstausübung und die Beschäftigung damit das ganze Leben über geholfen. Ich bin in keine Depressionen verfallen, habe immer Hoffnung gehabt und das will ich denen, die hierherkommen vermitteln: Kunst ist Hoffnung. Kunst ist der Kitt zwischen den Menschen. Letztes Jahr hat Chris Löhmann bspw. eine große Zeichnung ausgestellt, mit erotischen Anspielungen, mit Reflexionen auf die Nazi-Zeit. Da standen auch Menschen davor, die vollkommen unterschiedliche Ansichten hatten, aber dann über das gemeinsame Interpretieren plötzlich zu einem Konsens kamen.
KBD: Chris Löhmann, Lucas Oertel, das sind die Namen, die im letzten Jahr geladen waren auszustellen.
OS: Genau wie Catrin Große, Peggy Berger und Helena Zubler, die auch in jüngerer Zeit zu Gast waren. Das war übrigens spannend, weil sie drei unterschiedlichen Generationen angehören und dann beim Kulturfeierabend immer auf meine 13 „bösen“ Fragen reagieren, die ich einmal zusammengestellt habe, um auch alle BesucherInnen mitzunehmen.
KBD: Du interviewst also dann live? Wonach fragst du?
OS: Glaubst du an Talent, frage ich zum Beispiel und erhalte vollkommen unterschiedliche Antworten. Eine Erkenntnis aus diesen Gesprächen war, dass zum Talent immer auch Ehrgeiz gehört, sonst kommt man nicht weiter. Das ist spannend.
KBD: So ein bisschen spannend ist es auch, hier raus zu kommen nach Dorfhain.
OS: Ja, leider ist der öffentliche Nahverkehr nicht sehr gut ausgebaut und es fehlen auch noch vier Kilometer Wanderstrecke, um vom Bahnhof Edle Krone leichter hierher zu kommen. Wir sind natürlich auch immer im Gespräch mit den Lokalpolitikern. Zum Glück bewegt sich aber ständig etwas weiter. Und manchmal auch zurück. Wie jetzt gerade.
KBD: Was ist passiert?
OS: Die Georado-Stiftung befindet sich gerade in einer Umstrukturierung. Wie es aussieht wird dabei wichtige Unterstützung für mich wegfallen wie eine freie Kuratorin, die mir projektbezogen zur Seite stand. Außerdem müssen Förderanträge gestellt und Abrechnungen gemacht werden. Momentan ist unklar, ob die Projektassistentin, die uns bisher dabei geholfen hat, weiterhin verfügbar sein wird. Ich brauche aber Planungssicherheit. Immerhin müssen wir mit besonderen Angeboten aufwarten.
Zur Wanderzeit in den warmen Monaten ist das kein Problem, aber im Winter die Leutchen hinter dem Ofen vor zu locken, ist doch ziemlich schwierig. Bisher habe ich das immer als Aufgabe, denn als Hindernis gesehen, aber die Kräfte sind endlich…
KBD: Was bedeutet das konkret für dieses Jahr?
OS: Für 2023 hatten wir ein Konzept für eine Ausstellung zur Förderung der aktuellen Zeichenkunst mit dem Arbeitstitel „Handzeichen D“ entwickelt. Geplant war Preisgelder und Ausstellungshonorare auszuloben und einen Katalog zu machen. Leider wurde die Förderung abgelehnt.
So ganz wollten wir von der Idee nicht ablassen, aber unter den derzeitigen Umständen sehe ich kaum eine Chance das Projekt umzusetzen. Inzwischen musste ich also unseren Ausstellungsplan anpassen. Wir backen etwas kleinere Brötchen. Aber es geht weiter!
KBD: Du lässt dich also so schnell nicht unterkriegen.
OS: Nein, ich bin ein „optimistischer Pessimist“ (lacht). Irgendwie wird es auch diesmal wieder weitergehen. Auch wenn es manchmal schon hart an die Belastungsgrenze geht.
KBD: Und der Lohn für all die harte Arbeit?
OS: Die beste Belohnung ist dann immer wieder eine gelungene Vernissage, ein Verkauf oder einfach eine schöne Abendveranstaltung. Beim letzten „Last-Minute-Weihnachtsmarkt“ ist das z.B. fabelhaft gelungen.
Interview: Christine Gruler
Foto: Steffen Peters
Übrigens:
Clivia Bahrke, eine Dresdner Künstlerin, führt seit seit zwei Jahren auch Gespräche mit Künstlerinnen in ihren Ateliers.
Am 25.3., 18 Uhr, unterhält sie sich mit Olaf Stoy in seinem Atelier in Dorhain
https://www.ateliergespraeche.info/
Viele der bereits Interviewten sind Mitglieder im KBD.