Ina Weise ist mit dem diesjährigen Förderpreise Bildende Kunst der Landeshauptstadt Dresden ausgezeichnet. Erst letztes Jahr war sie als erste Reisestipendiatin in der Republik Kongo. Wir sprachen mit ihr über die Kunstszene dort und über ihren Platz innerhalb von Dresdens Kunst- und Kulturszene.
Künstlerbund Dresden: Erst einmal herzlichen Glückwunsch unsererseits zum Erhalt des Förderpreises Bildende Kunst 2024, liebe Ina. Wir haben von dir zum Neuen Jahr Glückwünsche in Form einer Karte bekommen, auf der sieht man dich, bzw. eigentlich sieht man dich nicht wirklich. Denn du bist verhangen von einer Maske aus …
Ina Weise: … aus der Frucht der Ölpalme. Im September letzten Jahres war ich für einen Monat im Rahmen der Städtepartnerschaft in Brazzaville, in der Republik Kongo und durfte dort in dem Kulturzentrum Les Ateliers Sahm leben. Bei einem Marktbesuch hielt ich diese Frucht in der Hand, deren Öl in fast jedem dritten Produkt enthalten ist, das wir hier im Supermarkt kaufen, und deren Anbau auch viele negative Folgen nach sich zieht. Ich selber habe mir noch nie einen Kopf darum gemacht, wie die Pflanze aussieht. Das war Ausgangspunkt für die Entstehung dieses Kopfbehangs. Eine ganze Fotoreihe ist dabei entstanden.
KBD: Du kommst tatsächlich vom Textildesign her. So ein bisschen guckt das aus dieser Arbeit für mich raus.
IW: Die Masse der Früchte bekommt etwas Textiles, das stimmt. Der Gedanke ist spannend. Ja, ich habe erst Textildesign studiert und danach auch ein Jahr in einem ähnlichen Bereich gearbeitet, um festzustellen, das ist nicht meins. Wie im Modedesign ist da immer dieser kommerzielle Druck. Ich habe dann ein Masterstudium “Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien” an der Bauhaus-Universität in Weimar angeschlossen, und oft war da die Frage, wie kann ich diese beiden Studienrichtungen in meiner Arbeit verbinden. Per Zufall gibt es hier solch eine Verknüpfung von Kunst und Design.
KBD: Zurück nochmal zur Republik Kongo: Wie sieht die Kunstszene dort aus?
IW: Es gibt dort keine Ausbildungsstätte für Bildende Kunst. Die Szene ist dadurch sehr klein, allerdings auch sehr jung. Außerdem stark von Tanz- und Performance geprägt. Die Malerei ist sehr realistisch, manchmal auch etwas surrealistisch aufgeladen und es gibt keinen Kunstmarkt. Das bedeutet, Künstler:innen werden vor allem im Rahmen von Festivals wahrgenommen.
KBD: Dir ist dagegen gelungen, in deiner Heimatstadt Dresden sehr schnell im öffentlichen Raum sichtbar zu werden. Kannst du uns ein bisschen näherbringen, was wir von dir sehen?
IW: Meine Arbeitsweise ist oft temporär. Zum diesjährigen Jahrestag des Gedenkens an die Kriegszerstörungen habe ich beispielsweise im Rahmen der Banneraktion von WOD gemeinsam mit Alegra Nicka aus Brazzaville ein Bild installiert, das sich mit unserer Perspektive auf eine Zukunft geprägt von Extremwetterereignissen, Wasser- und Nahrungsmittelknappheit, Artensterben und Zerstörung durch Kriege beschäftigt.
Am meisten Aufmerksamkeit hat sicherlich meine Arbeit „NEE NEE NEE“ erhalten. Das sind Leuchtbuchstaben von einem ehemaligen DDR Dienstleistungszentrum, die das Netzwerk Ostmodern gerettet hat und die bislang in Kisten im Keller oder unter den Betten der Mitglieder lagerten. Wir haben sie in Kooperation mit dem Kunsthaus Dresden auf der robotron-Kantine installiert.
KBD: Das ist dann auch eine Aussage: Nicht überall weg mit der Ostmoderne. Oder?
IW: Genau. Im Jahr des 100. Geburtstags von Joseph Beuys war es außerdem eine Reminiszenz an seine populäre Soundarbeit. Aber natürlich geht es auch um die Diskussion um die robotron-Kantine und ihre zukünftige Nutzung, um den Abriss der Ostmoderne und die Verschwendung von Ressourcen, die auch einiges Kopfschütteln verursachen.
KBD: Auch in einer anderen deiner Arbeiten setzt du dich unter dem Titel „Neue Heimat“ explizit mit dieser Thematik auseinander. Wie ist dein Verhältnis zu deiner Geburtsstadt Dresden?
IW: Es waren außerdem vier der Waben vom alten Centrum Warenhaus in meinem Atelier gelandet, und wir haben dann den Kurzschluss zwischen historisiertem, rekonstruiertem Neumarkt und dem Abbau der Ostmoderne hergestellt. Für die Absurditäten braucht es manchmal einen Blick von außen. Deshalb bin ich froh, immer wieder, wie auch für die „NEUE HEIMAT“ mit Marcus Große zusammenzuarbeiten, der in Potsdam lebt.
Außerdem war ich selbst viel unterwegs, habe außer meinen Studienorten in Schneeberg und Weimar auch eine Zeitlang in den USA und an anderen Orten im Ausland studiert. Jetzt sind es die Residencies, die mich immer mal wieder rausbringen. Gleichzeitig finde ich es immer sehr schön zurückzukommen. Hier bin ich verwurzelt. Hier erhalte ich auch das Gefühl, gesehen zu werden, auch ohne den bekanntesten Namen zu haben. Gleichzeitig kommt man sehr schnell mit den Stakeholdern und den Akteur:innen von städtebaulichen Themen in Kontakt. Es ist nicht notwendig, lange zu recherchieren. Alles liegt schon da, bereit darauf einzugehen und zu reagieren. Das ist eine schöne Chance.
KBD: In Dresden bist du zudem in vielen Netzwerken Zuhause.
IW: Es gibt in Dresden wahnsinnig viele Aktive, die sich gemeinsam in Off-Spaces, und Ateliergemeinschaften nicht nur für sich, sondern gleichzeitig auch für die Freie Szene insgesamt engagieren. Tatsächlich geht es schnell, hier reinzukommen und Teil dieser Netzwerke zu werden.
Seit vorletztem Jahr bin ich Aufsichtsrätin für Bildende Kunst im Branchenverband der Kreativwirtschaft „Wir gestalten Dresden“ und nutze dieses Vernetzungswerkzeug auch gern, um auf die Belange der vielen freischaffenden bildenden Künstler:innen aufmerksam zu machen, quasi als eine Vertreterin zu fungieren. Es fiel mir anfangs schwer, mich so zu sehen, ich wachse aber zunehmend rein in diese Rolle. Außerdem bin ich schon seit 2015 Mitglied im Konglomerat e.V., wenn auch gerade nicht sehr aktiv. Und ich bin in einer kleinen
Initiative, die Projekte in Rumänien unterstützt. Im Ehrenamt komme ich auch aus meiner Bubble heraus – es reicht derzeit nicht aus, sich im Freundeskreis gegenseitig zu bestätigen.
KBD: Gibt es für dich Ideen, wo du als nächstes ansetzen willst?
IW: Gerade plane ich zusammen mit dem Künstler Martin Schepers eine Ausstellung im Kunstraum Tosterglope, in Niedersachsen an der Elbe. Wir beschäftigen uns mit dem riesigen Thema Wasser und nähern uns dem Ganzen aus verschiedenen Perspektiven. Er war in Chile, ich in der Republik Kongo, und unsere Eindrücke von dort wollen wir da zusammenbringen.
Das Thema Wasser und Flüsse, die austrocknen – hier will ich auch insgesamt künstlerisch weiterarbeiten. Natürlich hat das auch etwas mit Dresden zu tun. Wir betrachten Wasser dabei nicht nur als Ressource, sondern mit dem Wasser verbinden sich auch viele Mythen und Rituale, eine Verbundenheit. Wir sitzen alle im selben Boot. Oder wie von einem Freund neulich viel passender formuliert: Wir stehen alle im selben Fluss.
Interview und Foto: Christine Gruler